Bereits im März sehen wir die ersten Bienenweibchen auf Wohnungssuche. Gesucht wird ein Ort, an dem sie ihr Nest aus voneinander durch Trennwände abgegrenzten Kammern – den Brutzellen – bauen können. Hier werden die Eier abgelegt und die Brut aufgezogen. An ihre Nistplätze stellen die meisten Wildbienenarten ganz spezielle Anforderungen. Einige wenige, wie die Rote Mauerbiene, sind etwas flexibler. Aufgrund der Nistweise können wir drei Gruppen unterscheiden. Die Mehrheit der Bienen gräbt oder nagt sich die Nesthöhle selber aus. Eine zweite Gruppe ist auf bereits bestehende Hohlräume angewiesen. Die Kuckucksbienen wiederum sind zur schmarotzenden Lebensweise übergegangen und bauen gar keine Nester.
Hohlräume in Totholz oder Pflanzenstengeln
Viele Mauer-, Blattschneider- und Maskenbienen, aber auch einige Woll-, Löcher- und Scherenbienen nutzen alte Käferfrassgänge in abgestorbenen Bäumen, Baumstrünken, Fallholz, aber auch in Zaunpfählen und wurmstichigen Balken, oder benutzen hohle Pflanzenstengel.
Der Lebenszyklus der Wildbienen
Die Weibchen besorgen den Bau und die Verproviantierung des Nestes. Sie legen einzelne, voneinander durch Wände getrennte Brutzellen an, statten jede mit einem Vorrat eines Nektar-Pollen-Gemisches aus, legen ein Ei darauf und verschliessen dann das Nest zum Schutz vor Fressfeinden. Zunächst werden befruchtete Eier abgelegt, aus denen Weibchen entstehen. Erst zum Schluss folgen unbefruchtete Eier, die später zu Männchen werden.
Nach 4-10 Tagen schlüpfen aus den Eiern die Larven. Diese wachsen während 2-4 Wochen über mehrere Larvenstadien bis zur Ruhe- oder Vorpuppe und überdauern so meist den Winter. Vor dieser Ruhephase spinnen die Larven der meisten Arten einen Kokon aus Seide. Geschützt kann sich nun die Metamorphose zur ausgewachsenen Biene vollziehen. Als erstes schlüpfen die Männchen, die so den Weibchen aus den hinteren Brutzellen Platz machen. Mit der Begattung haben die Männchen ihre Aufgabe bereits erfüllt. Die Weibchen machen sich auf die Suche nach einem Nistplatz und beginnen so den Zyklus von neuem. Einige Bienenarten durchlaufen den Zyklus so schnell, dass es für eine zweite Generation im gleichen Jahr reicht.
Selbstgenagte Nester in Pflanzenstengeln oder Holz
Wenige Bienen wie z.B. einige Maskenbienen(Hylaeus), Keulhornbienen (Ceratina) oder die Mauerbiene Osmia leucomelana nagen das Mark dürrer Pflanzenstengel aus. Stehengelassene Pflanzenstengel finden sie auf Ödland, Brachwiesen, Hochstaudenfluren oder Brombeerbüschen. Die Steinbienen (Lithurgus) und die Pelzbiene Anthophora furcata graben Gänge in morschem Holz.
Selbstgegrabene Nester im Erdboden
Über die Hälfte aller Bienenarten – z.B. Sandbienen (Andrena), Seidenbienen (Colletes) und Furchenbienen (Halictus, Lassioglossum) – graben einfache oder sich verzweigende Gänge von einigen Zentimetern bis zu einem Meter Tiefe in den Boden.
Spezielle Hohlräume
6 Mauer- und eine Wollbienenart bauen ihre Brutzellen in die Windungen leerer Schneckenhäuser. Einige wenige Bienen suchen sich zum Nestbau alte Pflanzengallen aus.
Wohnungsnot
Mit der Ausräumung und Verbauung unserer Landschaft sind Nistplätze für Wildbienen selten geworden. Besonders hart trifft es bodennistende Arten, die auf offene Flächen in Flussauen, karge Ödlandstellen, Waldränder oder Magerwiesen angewiesen sind. Mit dem Rückgang von Hochstammobstbäumen und naturbelassenen Wäldern sinkt das Angebot an Totholz für oberirdisch nistende Bienen. Viele wichtige Kleinstrukturen wie markhaltige Stengel, Trockenmauern, Abbruchkanten oder Hohlwege sind kaum mehr zu finden. Ganz zu schweigen vom zweiten unerlässlichen Standbein der Wildbienen: den Nahrungsräumen. Wo artenreiche Blumenwiesen fehlen, ist den Bienen ihre Nahrungsgrundlage entzogen. Bereits stehen 45% aller Wildbienenarten auf der Roten Liste.